Dienstag, Juni 27, 2006

Burn Baby, burn!!! Teil II

Heute mal wieder den Kampf gegen die Arbeit verloren. Letzte Nacht gar nicht einschlafen können, das Gefühl gehabt unter einer Lawine begraben worden zu sein. Seit letzter Woche haben wir die Akten einer Kollegin, die es nicht mehr packt und nach ihrem Urlaub wohl auch nicht mehr wiederkommt, aufgeteilt. Das Licht am Ende des Tunnels wurde von noch mehr Akten und Uraltpost ausgepustet. Irgendwie ist es grad ziemlich finster.
Der Ombudsrat hat die Tage erklärt:
"Zwar sei die Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe zum Arbeitslosengeld II – eingeführt zum 1. Januar 2005 – an sich richtig gewesen. Die Konstruktion der Mischverwaltung weise aber «weithin organisatorische Mängel» auf, beklagt das dreiköpfige Gremium. «Unklare Zuständigkeiten in Bezug auf das Personal, das Budget und das Sachvermögen behindern wesentliche Teile der Aufgabenerledigung.»"
Mal ganz klar ausgedrückt:
Personaleinstellungen dauern eine Ewigkeit! Überall im Land ist man von niedrigeren Bedarfsgemeinschaftenzahlen ausgegangen. Alleine bei uns weicht die tatsächliche Zahl von der geschätzten um 500 ab.
500 mehr Menschen, die Arbeitslosengeld II für sich und ihre Familien beantragt haben.
Planstellen fehlen. Um sie einzurichten, ist bei uns inzwischen ein halbes Jahr verstrichen - Ende September soll die große Einstellungswelle kommen. Eingestellt werden völlig ungelernte Kräfte - wie soll es auch anders gehen - eine Ausbildung für SGB II gibt es nicht.
In diesem halben Jahr: 2 Ausfälle wegen Schwangerschaften und eine kommunale Kollegin, die ihre Abordnung rückgängig macht, weil das von den Kommunen so versprochen wurde. Jeder, der geht, hat 2 Jahre lang die Möglichkeit auf seine alte Stelle zurückzukehren. Ob es die nun überhaupt noch gibt oder nicht. Die Kommunen sind allerdings nicht davon ausgegangen, dass die Mitarbeiter von diesem Angebot Gebrauch machen. Bei uns hat die Kollegin vor 2 Monaten ihre Abordnung zurückgenommen, ist laufend krankgeschrieben und hat immernoch keine neue Stelle bei der Kommune. Solange sie diese nicht hat, kann ihr Platz nicht neu besetzt werden.
Zudem:
zwei verschiedene Arbeitszeitmodelle - einmal die kommunale und dann die von der Agentur. Was die Bezahlung angeht... davon fange ich besser nicht an: kommunale Beamte, kommunale Angestellte, Bundesbeamte, Bundesangestellte von der Agentur, von der Post, von der Telekom, von der Bahn.
Wenn zwei das Gleiche tun und völlig unterschiedlich bezahlt werden, steigert das nicht unbedingt die Motivation.

Zum 1. Juli wieder eine neue Gesetzesänderung. Gestern gab es dazu erst eine Mail mit Verfahrenshinweisen. Warum es so lange gedauert hat? Weil die Software der Politik hinterherhinkt. Für die Neuregelung der Einkommensfreibeträge zum 1. Oktober 2005 gibt es immernoch nur eine Umgehungslösung für´s Computersystem.
Ich möchte nicht wissen, was passiert, wenn die Mehrwertsteuer steigt und unsere Kunden so richtig auf dem Trockenen sitzen.

Die Hartz IV Reformen scheitern wenn überhaupt nicht an der Idee sondern an der Umsetzung. Einsparungen gibt es, auch wenn die Politiker das nicht unbedingt sehen. Im Gegensatz zur alten Sozialhilfe gibt es kaum noch Sonderleistungen wie Winterbekleidung, Schulgeld, kaputte Haushaltsgeräte, Weihnachtsgeld usw.
Mißbrauch kann jedoch wegen des Personalmangels nur selten aufgedeckt werden. Arbeitsangebote, die wir reinbekommen, können wir nicht weitergeben - wo die Leistungen für Grundsicherung nicht reibungslos fließen, haben die Menschen andere Sorgen als ihre Arbeitslosigkeit. Da geht es um Zwangsräumungen und Strom abstellen. Die wirkliche Lösung ihrer Probleme rückt da in den Hintergrund.

Zum 30.06 läuft ein Großteil der Bewilligungszeiträume aus - ALG II wird maximal für ein halbes Jahr bewilligt. Wir haben zwar inzwischen versucht, die "Ballungsbewilligungen" zu entzerren. Trotzdem sind es immernoch unglaublich viele. Und während man im Akkord versucht Leistungen anzuordnen, rufen Kunden 20 Mal an um nachzufragen, ob ihre Anträge schon bearbeitet worden sind und wie hoch denn die Leistungen sind.
20 Mal - ich bin gestern fast aus der Hose gesprungen und wäre dem Kunden am liebsten durch Telefon gekommen um ihm an die Gurgel zu gehen.

Heute morgen habe ich dann doch im Büro angerufen und gesagt, dass ich nicht komme. Schwer Entscheidung: Kollegin ist alleine, Sommerferien und Urlaubszeit hat ja schon begonnen. Gestern schon meinem Chefe gesagt, dass die Arbeit krank macht. Nicht gewußt, dass das so schnell von meinem Körper umgesetzt wird.
14 Tage Urlaub in anderthalb Jahren sind einfach zu wenig - das macht nicht mal 3 Wochen. Ein wenig Schlaf nachgeholt. Trotzdem bleibt die Frage: wie geht es weiter?

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