Mittwoch, April 19, 2006

Literarischer Bandwurm, Teil I

Wie oft habe ich an genau der gleichen Stelle immer wieder gehofft, du würdest gleich dort stehen. Genau dort wo du das letzte Mal gestanden hast. Jedes Mal an der gleichen Biegung. Jedes Mal im Bruchteil einer Sekunde der gleiche Gedanke. So oft, dass der Gedanke zur Fahrt dazu gehört wie den Blinker zu setzen, einen Gang niedriger zu schalten. Der Gedanke blitzt kurz auf um gleich wieder zu verschwinden, hinterläßt dabei ein leichtes Schwingen. Es geht so schnell, dass ich gar nicht mehr weiss, warum ich mit diesem komischen Gefühl aus dem Auto steige. So oft, dass ich glaube, dies ist das Gefühl "Zuhause!". Es ist wie Warten auf Godot - verkürzt auf eine Sekunde. Godot kommt nicht. Er wird niemals kommen. Aber wenn er kommt, dann ist alles gut. Dann bin ich anders, weil du anders bist und du bist anders, weil ich anders bin. Wir reden nicht mehr über gestern. Auch nicht über morgen. Erst morgen. Nichts ist wichtig. Nichts ist unwichtig. Ich lache dich aus, während ich über meine Füße stolper. Du singst Schlager, bis ich weinen muss. Unsere neue Lieblingssprache ist Esperanto. Wir verstehen kein Wort und verstehen uns mehr denn je. Ich kann Rosen greifen ohne mich an den Dornen zu verletzen. Du kannst ohne Stock gehen. Die Beichte kann ausfallen. Geheimnisse bleiben geheim. Du tanzt mit mir auf der Straße und ich muss nicht schwitzen. Die Sonne geht unter und du musst nicht fragen.
Wenn Godot kommt. Aber Godot kommt nicht mehr. Godot kommt nie. Aber ich warte jedes Mal auf ihn. Wenn ich an diese Stelle komme. Für den Bruchteil einer Sekunde ist er da. Und wenn er da ist, weiss ich, dass ich noch nicht so weit bin. Ich bin noch nicht anders. Und du auch nicht. Aber diesen Sekundenbruchteil ist es schön.

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